Eisenbahntechnische Rundschau | Issue 12/2005
Ohne EU-einheitliche Triebfahrzeug-Zulassung keine grenzenlose Bahn
Europa wächst, und mit ihm der Druck der Straße: Sollen Europas Eisenbahnen im Wettbewerb mit Lkw und Bus, Pkw und Flugzeug sowie angesichts ungehemmt anschwellender Verkehrsströme nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten, brauchen sie dringlicher denn je EU-weit einheitlich zugelassene Lokomotiven, Triebwagen und Triebzüge. Dieses Zulassungsprocedere muss nicht nur praxistauglichen, wirtschaftlichen und einheitlichen europäischen Standards der Interoperabilität genügen, sondern ebenso allgemein verbindlichen wie strengen Maßstäben in punkto Qualität und Sicherheit. Trotz der damit verbundenen Kompetenzverlagerung nach Brüssel fällt den bis dato weitgehend autonom agierenden nationalen Zulassungsbehörden eine entscheidende Rolle bei der Integration der historisch gewachsenen technischen Besonderheiten ihrer jeweiligen Eisenbahninfrastrukturen in das gesamteuropäische Zulassungsreglement für Triebfahrzeuge zu. Dabei erweisen sich unterschiedliche Spurweiten und Bahnstromsysteme weit weniger als Hemhuhe auf den Gleisen einer grenzenlosen, weil interoperablen EU-Bahn als die Vielfalt konventioneller Zugsicherungs- und Leitsysteme. Neben der Homologierung von Triebfahrzeugen stellt daher die Einführung des einheitlichen europäischen digitalen Zugleit- und Sicherungssystems ETCS/ERTMS sowie dessen Kompatibilität mit den vorhandenen Systemen eine wesentliche Herausforderung für einen funktionierenden liberalisierten EU-Eisenbahnmarkt dar. Das von der EU-Kommission bislang stets favorisierte formale Recht auf freien Netzzugang reicht dafür nicht aus.